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Ich muss ja schon sagen, dass ich ziemlich gespannt auf das Werk der Heilbronner 'Strangelet', war – immerhin hatte ich es bei der Platte, die ganz im Sinne der klassischen Hardrock und Heavy-Metal-Veteranen der ausgehenden 70er und in ihrer Hochzeit, den 1980er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, produziert wurde, mit einer großen Ausnahme im MOS'schen Portfolio zu tun. Die Huldigung an Bands dieser Generation, die sie bezeichnenderweise „First Bite“ tauften, sollte jedoch nicht einfach nur im vorbeigehen gehört werden.

Und diese Nachricht geht an jeden Musikgourmet: hört euch erst einmal die Platte an, dann kann man immer noch diskutieren.  

So nice der Sound, so irrelevant das Cover – Sei's drum, die Musik ist, was zählt.                                                                                                                                                                                             Foto: Strangelet

Fazit:

'First Bite' wird sicherlich nicht bei jedem gefallen finden, da brauche ich mir nichts vorzumachen, liegt es doch offensichtlich auf der Hand.

Ja, es wird nicht jedem schmecken, die feinen Melodien, den hohen Grad an Perfektionismus und das Herzblut an der Musik an sich, in die wir alle im weitesten Sinne vernarrt und mit der wir miteinander verbunden sind. Jedoch lege ich es jeden musiktoleranten und anti-engstirnigen Liebhabern von anspruchsvollen Klängen wärmsten ans Herz. Denn genau davon gibt es auf 'First Bite' mehr als genug!

Behaltet diese Fünf im Blick; wir werden in Zukunft noch mehr dieser Ausnahmekünstler sehen und vor allem hören. 

Und ich freue mich drauf!

 

monotyp

GENIAL

Chapeau, meine Dame und die Herren, Chapeau!

01    Privileg Of Power

02    Nothing

03    Tainted

04    Pray To Break

05    Stillborn

06    Snakebite

07    Hell And Back

08    Touch The Sky

09    Catching Fire

10    All That's Left

11    Hiding Star

So beginnt die Platte mit der bekannten Auskopplung von 'Privilege Of Power', zu dem außerdem ein Video in den Ether geschickt wurde, um sich von der Leistung der Gefolgschaft, rund um Sänger Stefan Zörner, selbst überzeugen zu können. Ein schöner Stampf-Riff markiert hierbei das metallene Schlachtfeld, das bereits vor mehr als fünfundzwanzig Jahren von Bands wie 'Iron Maiden' geebnet wurde. Die Instrumente harmonieren sehr gut miteinander und bilden im Schulterschluss mit einem gut aufgelegten Keyboarder ein breites Bild, inklusive einem Hauch von epicness. Ein wenig mehr Power im Organ des Sängers, respektive Songschreiberlings, Stefan, hätte ich mir dann doch noch gewünscht. Ein Gitarrensolo der Marke 'Machine Head' und ein geil anzuhörender Voice-Overdub-Rauschmeißer am Ende des ersten Tracks, bringen meine Hände zum zittern, ob der bevorstehenden Festival-Saison – denn egal auf welches Metal-Festival es dich in den warmen und biergetränkten Sommertagen ziehen wird, DIESER Sound wummert dir gefühlt ständig in den Ohren. Schönes Teil!

 

'Nothing' bietet dann (Füße hoch, der kommt Flach) weit mehr, als der Titel es vermuten lassen könnte. Angefangen bei einem Mitgröl-Beginn, der den Fans in der aufgewühlten und von Haaren durchsetzten Mosh-Pit mehr als gefallen wird. Mehr als nur Fan-Service. Die Jungs und Mädels wissen was ihre Gefolgschaft abfeiert und offeriert ihnen die Melodien und Soundwände auf einem Silbertablett – hier hat kein XY-Stampf-Kreisch-Gedudel die Instrument im Griff, hier haben wir es mit Künstlern zu tun, die Ahnung von der Materie haben und den anspruchsvollen Genießern etwas zu hören schenken. Unter den Metal-Saumelieren taumele ich hierbei zwischen: gemütlich vor dem Kamin sitzen und Wein aus einem dafür vorgesehen Glas schlürfen, und, in der Metal-Kneipe meines Vertrauens rabenvoll von Kippenautomat und versifften Scheißhaus pendelartig zu torkeln. Denn genau in letzterer kann man anstandslos die Musik der fünf Heilbronner abfeuern, ohne anschließend beschämt zu seinem Platz zurückschleichen zu müssen.

 

Am dritten Track habe ich dann doch noch etwas zu bemäkeln; fällt spätestens hier auf, dass an der Stimme des Sängers noch etwas gefeilt werden kann und die Drums zum Teil dezent generisch sind (ohne jetzt einen Lars Ulrich-Vergleich aus dem Ärmel schütteln zu wollen), stimmt das Gesamtbild bei 'Tainted' allerdings und zwingt den Hörer dazu, den Taschendrachen auszupacken und rythmisch, einem Bessesenen gleich, über sein Haupt zu schwingen. Die klassischen Soundstrukturen beruhigen das Ohr, macht es dem Kenner jedoch leicht vorherzusehen, was als nächstes geschehen wird.

Eine ordentliche Bon Jovi-Nummer, die aber mit eigenen Akzenten versetzt, eine wahre Wonne in meinem nach Abwechslung gierenden Gehörgang ist.

 

Jener Bon Jovi verabschiedet sich jedoch bald schon wieder und eine weitaus düstere Atmosphäre wird in 'Pray To Break' aufgebaut … hat hier jemand 'Black Sabbath' gerufen? Eine morbid-düstere Stimmung wird hierbei mit den selektierten Songschemata der vorangegangen Songs vermengt. Schön anzuhören wie das Tempo dabei variiert wird und mit einer staubtrockenen Gitarre und einem humorlosen Keyboard eine, leider nie am eigenen Leib erlebten, 70er Jahre Atmosphäre aufgebaut wird.

 

Und Apropos Keyboard. So wird in 'Stillborn' genau dieses unterschätzte Schätzchen gekonnt eingesetzt und lässt einen wohligen Schauer über meinen Körper wandern, wenn es Hammond-Orgel ähnliche Melodien einwebt. Zumal es keinen besseren Zeitpunkt geben könnte, als dieser der gewählt wurde, um eine Ballade in die Runde zu schmeißen. Hatte ich schon erwähnt, dass 'Strangelet' verdammt nochmal Ahnung davon haben, was sie da machen?! Fehlten mir zuvor noch der Druck in der Stimme des Capos und wirkten die Drums zuweilen etwas abwechlungsarm, so gefühlvoll agiert Stefan mit seinem menschlichen Instrument nun und auch Jessica schwingt die Holzschlägel nuancierter und bewusster; dazu eine Bridge zum Zungeschnalzen und ich bin mir durchaus sicher, dass ich eben mit dem rundesten Song auf 'First Bite' zu tun habe.

 

Und auch 'Snakebite' weiß mit dem Hörer zu spielen. Das ist Musik die Eier hat, ohne zu sehr in ein Klischee abdriften zu wollen, welches man gerne mal zu zücken geneigt ist; dafür ist ihr Stil und der Sound schlicht zu prägnant und autark. Das Musizieren will gelernt sein und hier sind fünf Künstler die ihr Handwerk verstehen, Old-School-Metal lieben und vor allem leben. Es scheint mir gelegentlich, dass die Musik die sie betreiben, ihnen aus jedem Zottelhaar sprießt und aus jeder Pore tropft.

Ja, die Texte sind nicht das Maß aller Dinge und könnten mit wenigen Handgriffen zu einem komplett neuen Kontext umgewandelt werden.

Und ja, hier und da hätte man die Strukturen weiter aufreißen können, um mehr Leben in die Hardrock-Bude zu bugsieren.

Strangelet allerdings besitzen etwas, das vielen anderen Bands heutzutage abgeht – so schmalspurig das jetzt "klingen" mag – ein gewaltiges Herz für ihre/unsere Art der Musik; und das prügeln sie nicht in unsere Hirne, nein, sie umschmeicheln uns damit.

 

Das darauf folgende 'Hell And Back', ist dann ein Konglomerat bereits genutzter Zutaten in ihrem metallenen Süppchen, was jedoch nicht die Qualität mindert, sondern einen Schnittpunkt zwischen Anfang und Ende der Platte darstellt. Fantastisch: wenn man denken mag, dass genau JETZT eine Mundharmonika geil zum Geschehen passen würde, nicken Strangelet wohlwissend ihres Talents, und bauen genau diese ein. Chapeau, meine Dame und die Herren, Chapeau!

 

'Touch The Sky' und 'Catching Fire' nutzten die hergebrachte Formel „Strangelet“ aus, wie ein Alchemist in seinem Labor; die Aufnahmen bieten einen hohen Standard und, um es nochmals hier hervorzuheben, bereichert das Keyboard die Musik der Heilbronner nicht nur, sondern erweitert sie und sticht immer wieder mit seinen pointierten Melodien aus den starken Riffs und treibenden Beats heraus – ohne die Leistung der anderen Bandmember zu schmälern, die eine gute Arbeit aufs verschwitzte Parkett legen.

 

Zu guter Letzt befinden sich noch mit 'All That's Left' und 'Hiding Star', zwei Schmankerl im Kabinett der Süddeutschen, bei dem ersterer eine weitere Ballade mit Kopfnickgarantie ist (inklusive einer zweiten weiblichen Hauptstimme, die im Duett mit Stefan um den Preis des gefühlvollsten Vortragen eines Textes steht) und zuletzt einer Tanznummer, die erneut mit einem ordentlichen Sound aufzutrumpfen weiß.

 

So gut und Abwechslungsreich die Heilbronner mit ihren Melodien sind, umso nachlässiger ließen sie es jedoch bei der Gestaltung ihres Booklets, das von unfreiwillig komisch, bis ungalant reicht.

Aber das ist etwas, über das ich ohne Probleme hinwegsehen kann, ob der mehr als angenehmen dreißig Minuten, die hinter mir liegen.

Von: Nico Esche                                                VÖ-Datum: 12.12.2014                                             Genre: Heavy-Metal

STRANGELET

FIRST BITE

HEAVY-METAL/HARDROCK

TECHNIQUE                                88/100

Voice                                              83/100

Drums                                            84/100

Bass                                                85/100

other Instruments                         91/100

LYRICS                                          80/100

Guitar                                            88/100

Text                                                81/100

Impact                                            78/100

ARTWORK                                   71/100

Cover                                             73/100

Booklet                                           70/100

RESULT            87/100

STRANGELET

'First Bite'

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