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„Wann hast Du verlernt zu genießen und begonnen zu konsumieren?“

Autor: Nico 'monotyp' Esche, vom 03.11.2014

 

 

 

Diese Frage musste ich mir irgendwann einmal, gezwungenermaßen, stellen und bin auf den verdammt harten Boden der Tatsachen aufgeklatscht. Spätestens dann, als ich das erste Mal Artikel verfasste, die ein breiteres Publikum erreichen sollten, als meine Freunde und engsten Verwandten – wenn es sie überhaupt interessieren sollte, was gerade in dem Genre des Metals eher selten vorkommt.

 

Anfangs, jung und unschuldig wie ich war, schrieb ich drauf los ohne mir viele Gedanken zu machen, wer der Kerl, oder Mädel, vor dem Bildschirm ist, welche Interessen sie haben, worauf sie Bock haben und welche Art Leser sie sind (jaa, tatsächlich … es gibt einen ganzen Haufen verschiedener Gattungen an Lesern). Mir war nicht bewusst, wie ich etwas zusammenfassen und wie es ansprechend werden sollte, da gerade diese Person vor dem Screen gewisse Ansprüche hat; an mich als Verfasser. Immerhin gebrauche ich die Zeit jener, die sich ihre wenigen Stunden an Freizeit hart erarbeiten mussten und diese eigentlich viel Lieber vor der Glotze, dem „Zubereiten“ ungesunder Lebensmittelkonglomerate oder dem entschleunigten Spaziergang am nahen Waldesrand verbringen wollen.

 

„Entschleunigt“ ist dabei das Zauberwort.

Aller Anfang ist mitunter steinig - und scheißschwer.

Foto: monotyp

Wie oft wurde inzwischen über die Wünsche einer Entschleunigung in einer zuweilen degenerierten und brutal hektischen Welt geschrieben, gesprochen, gesungen und gekotzt, dass ich nicht so Nahe darauf eingehen möchte, wie es die Öffentlich Rechtlichen, sowie diverse Tageszeitungen bis zum Erbrechen heruntergeleiert haben. Das will ich dem geneigten Leser, also Dir, unbedingt ersparen.

Vielmehr spuken mir Gedanken in meinen Hirnwindungen herum, die mich wahrscheinlich sogar selber betreffen und mich Nachdenklich machen.

 

Wie viel Zeit steht mir zu Verfügung und wie nutze ich diese am effizientesten?

 

Alleine schon die Idee einer ökonomisch sinnvollen Nutzung meiner Freizeit, lässt mich erschauern. Wenn es inzwischen soweit gekommen ist, dass ich meine Stunden, abseits von Studium und Arbeit, SO gebrauche, dass ich genug erledigen kann, ohne am Abend ein brennendes Pochen in meiner Herzgegend haben zu müssen (manche nennen es wohl: schlechtes Gewissen), komme ich mir nicht ohne Grund verdammt dämlich vor.

 

Selbstverständlich weiß ich auch, dass dies die heißgeliebten „First-World-Problems“ sind, von denen gerade so ziemlich jeder Hobby-Journalist und Möchtegern-Reporter schreibt und anderweitig von sich geben muss. Doch für viele Menschen, denen es in der Regel reicht jeden Tag „nur einmal täglich“ bewusst zu sein, dass er eigentlich ein scheißgeiles Leben hat und nicht ständig Angst um seine Existenz haben muss, ist es ein Problem – vor allem wenn man den Rattenschwanz dahinter erkennen kann. In einem „reichen“ Industriestaat, wie Deutschland eines zu sein scheint, gibt es nun mal andere Sorgen, die man sich macht. Ob das Proletariat, also wir, es will oder nicht und so müssen wir damit umgehen, ob wir wollen oder nicht.

 

In diesem Sinne überdachte ich vor wenigen Wochen wie ich nun das Zeitmanagement in meinem Leben regle, ohne das wichtigste aus den Augen zu verlieren; und dazu zählt unter anderem das Lesen aktueller Beiträge der Weltgeschichte, als auch eigentlich alles was in Worte gefasst wurde und für was ich mich interessiere.

Das ist mein täglich Training und unabdingbar für meine zukünftige Berufswünsche. Nicht jeder, der diese Zeilen liest, will sich in Zukunft in der Branche des Journalismus herumtreiben.

Eh klar. Aber was Auffällig ist und sicherlich durch dutzende Studien mal mehr mal weniger erwiesen sein sollte, ist, dass Menschen die viel lesen, sich meist auch freiwillig weiterbilden und über den obligatorischen „Tellerrand“ blicken. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel und das Gelesene muss nicht unabdingbar um das Weltgeschehen handeln.

 

Man nehme mich als Beispiel. Als kleiner Bub frönte ich meinem Lieblingshobby, den Videospielen, auch in analoger Form und das in mitunter exzessiven Ausmaßen. Wenn ich keinen Controller in Händen hielt, dann zumeist eines der vielen Games-Magazine und das ununterbrochen, seit bald beinahe zwei Dekaden. Ob dabei was hängen geblieben ist? Ob es mir am Ende des Tages eine Möglichkeit gibt in dieser Branche Fuß zu fassen? Das wissen nur die Götter, aber der richtige Schritt in die richtige Richtung war es allemal (meine Eltern wird es freuen, nach Jahrzehnten des Kopfschüttelns ob meines Hobbys).

Das einzig wahre Hobby!

Foto: play3

Später kamen dann Wissensmagazine und vor allem die geschätzten Tageszeitungen, Romane, Lyrik und, zu guter Letzt, Fachliteratur dazu. Gerade bei Letzterer amüsiere ich mich regelmäßig über die Schreibweisen und -stile verschiedener Autoren, die als Koryphäen zeitgenössischer Literatur zählen und die moderne Gesellschaft geprägt haben … ähem, naja, wenn man es denn schafft sich durch ein Werk beißen zu können wie Sigmund Freuds „Der Traumdeutung“, um nur eines der fiesen Brocken in meiner (noch) überschaubaren Bibliothek zu nennen.

 

Sicherlich muss man es nicht übertreiben. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass das einfache Lesen meinem Intellekt nicht schadet, sondern eher dazu bringt die Augen offen zu halten und möglicherweise gelegentlich mal zu hinterfragen, wie Ebola entstehen kann und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist mich damit anzustecken, noch bevor ich ein Urteil darüber fälle.

Damit möchte ich per se nicht alle über einen Kamm scheren, egal welcher Fraktion Er oder Sie angehört, aber es wäre sicher nicht verkehrt sich einen Gedanken mehr darüber zu machen und sich alle paar Tage mal eine Zeitung zu Gemüte führen.

Aber daran scheitert es meist, ob als permanenter Leser oder Gelegenheitsleser oder Verweigerer jeglicher Lyrik. Also habe ich mich daran gemacht zu Hinterfragen woran es liegen kann, welche Folgen es hat und warum aus genau diesen Gründen die alten Medien absterben wie ein unterversorgtes Körperteil und neue Medien noch nicht so Recht wissen, wie sie in Zukunft verfahren sollen, um ihre Leser nicht zu vertreiben.

 

Die Gründe dafür, denke ich, habe ich ausgiebig erläutert und, wie ich schon meinte, je mehr ich darüber grüble, desto verstörender finde ich den Gedanken, dass wir uns in einer Welt bewegen müssen in welcher wir einen strikten Zeitplan schmieden müssen, um die vollste Effizienz erreichen zu können.

Wenn ich diesen Gedanken also nehme und ihn in den schmierigen, nach vergorenen Apfelresten duftenden Biomüll schmeiße – der einzige Ort, den solch ein Gedanke verdient – ist das Problem aus der Welt geschafft und mein Gewissen frei von Schuld.

Wenn doch alles nur so einfache Schwarz-Weiß-Malerei wäre, wie sie Hollywood vorgaukelt, gebe es … naja, eigentlich auch nichts worüber ich mich aufregen könnte und dann würde ich diese Zeilen nicht schreiben und Du müsstest deine Zeit nicht damit verschwenden jene zu lesen. Aber nett, dass Du immer noch dran bist; wir brauchen alle etwas mehr von Dir und etwas weniger von den Texteverweigerern, die bei dem bloßen Gedanken einen Bericht, der über fünf Zeilen hinausgeht, das Arschwasser bis zur Kimme stehen haben.

Wem es leichter fallen sollte seine Freizeit zu managen: Glückwunsch, du hast dein Leben zu einhundertfünfzig Prozent im Griff und kannst wahrscheinlich den kommenden Atomkrieg ohne weiteres überleben.

 

Die Zeit, die mir zu Verfügung steht, nutze ich unter anderem mit dem Verfassen von Reviews, Konzertberichten und unter anderem dieser kleinen Kolumne über das Zeitmanagement für mein Herzensprojekt METAL OVER the SOUTH. Das mache ich freiwillig und ohne Bezahlung. Du hast richtig gelesen, ich sehe für die hunderte Stunden die ich inzwischen in MOS investiert habe, keinen müden Heller und das wird sich auch nicht so schnell ändern (wer Interesse und einen dicken Geldbeutel hat, melde sich umgehend an metaloversouth@gmx.de). Ich arbeite an diesem Projekt ausschließlich für den Support der Underground-Bands, die es sich gefallen lassen müssen von viel zu vielen musikbegeisterten Menschen grundlos ignoriert zu werden und auch weil ich tierisch Lust habe mich an einem Sonntag-Abend vor den Laptop zu setzten und in die Tasten zu hauen. Dabei möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich ein hervorragendes und relativ normales Leben mit sozialen (analogen) Kontakten habe und pflege – no geek!

Ein Autor nach getaner Arbeit.

Foto: monotyp

Es ist auch kein Problem an sich meine Freizeit zu managen, das will ich hiermit nochmal deutlich machen. Es ist, meiner Meinung nach, traurig, dass wir die Stunden die wir zur freien Verfügung haben, nicht intelligenter nutzen können und uns immer vorheucheln müssen, dass wir aber jetzt dringend noch „diese eine Folge Scrubs zu Ende sehen möchten“, oder nur noch „dieses eine Let's Play von Gronkh verfolgen wollen“.

 

Ich bin an dem Punkt angelangt bewusst zu entscheiden was ich machen möchte und überlege eine winzige Sekunde vorher, ob ich dies nötig habe und ob es mir weiterhelfen kann. Sich gelegentlich zurückzulehnen und sich vom TV berieseln zu lassen? Klasse, bin ich gerne dabei. Und allzu oft erwische ich mich dann wie ich in ein Raster falle, aus dem ich mich eigentlich befreit gewähnt hatte.

Und da ist die Krux an der ganzen Sache, die dann nicht mehr so Recht als grobes „First-World-Problem“ erachtet werden kann: was zur Hölle sind die Folgen dieser verschwenderischen Nutzung, beziehungsweise Nichtnutzung seiner Zeit, speziell im Bezug auf den Konsum journalistischer Beiträge; sei es im Netz oder im lokalen Käseblatt. Denn von nun an reden wir hier tatsächlich von Existenzen die Gefährdet sind.

Ein Beispiel? Horst Seuchenschlager, seines Zeichens Redakteur des „Musterstädtischen Kuriers“ und Präsident des Kegelvereins Musterstadt e.V., seit seinem dreißigstem Lebensjahr.

Herr Seuchenschlager liebt seinen Beruf und steht auch mal gerne und mit einem Lächeln auf den Lippen auf, um nach seinem dritten Becher extra starken Käffchen, zur Arbeit zu gehen. Der Gedanke, Informationen als erster zu erlangen, um diese anschließend in seine eigenen Worte zu packen und mit seinen Mitmenschen teilen zu dürfen, erfüllt den freundlichen Horsti mit Glück und Genugtuung. Bis zu dem Tage, an dem sein Redaktionsleiter an ihn herantritt, um ihm zu verkünden, dass all die Sparmaßnahmen keinen greifenden Erfolg versprachen und er mit einem nassen Händedruck in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wird.

Natürlich ein krasses Beispiel und nicht repräsentativ, aber so unwahrscheinlich dieser Gedanke auch sein könnte, um so eher holt einen die Wahrheit ein – und sie sieht genau so aus.

 

Die Artikel werden mehr und mehr in das Internet verlegt, was bei der sukzessiv steigenden Zahl an Internet-Nutzern ein allzu verständlicher Schritt war und noch immer ist. Aber wie geht man mit den Lesern um, die die Beiträge der Redakteure für lau lesen dürfen? Richtig, die Verlage erheben eine Gebühr, um auch weiterhin ihre Mitarbeiter in Lohn und Brot halten zu können.

Wie rumpelig diese Modernisierung gegebener Ressourcen jedoch ist, zeigt sich immer wieder, speziell bei kleineren Verlagen mit überschaubarer Leserschaft. Ohne auf nähere Beispiele eingehen zu wollen, rollt es mir bei manchen Tageszeitungen die Fußnägel hoch, wenn ich die Umsetzung dieser Refinanzierung ihres Verlages sehe. Zurecht versuchen sie Geld mit ihrer Arbeit zu verdienen, da wäre ich der Letzte, der etwas anderes behaupten würde. Aber mit welchen Mitteln dies umgesetzt wird, ist oft alles andere als kundenfreundlich ... und sind es nicht am Ende genau diese Kunden, die informiert und dafür auch dementsprechend, ob dieser Dienstleistung, zur Kasse gebeten werden sollen?

Die Verlage stellen sich also den Problemen in den Weg, die durch die Nutzung des Internets entstanden sind und experimentieren mit diversen Bezahlmodellen herum.

Dabei muss sich jeder bei der Ursachenforschung einmal selber an die Nase fassen.

Sind nicht wir es, die es genossen haben jede Information sofort und vor allem kostenlos zu erhalten?

Haben wir jemals gefordert Geld für diese Leistung zahlen zu wollen?

Das ist Gewiss keine Kritik an das Internet an sich, schließlich hat es unser Leben verändert – positiv wie negativ. Hier erkenne ich schlicht und ergreifend uns, also den Nutzer, als „übel“ dieses Systems an, wie eigentlich immer in einem gut funktionierenden System.

 

Und genau hier kann ich den Bogen zu meiner, durchaus weise gewählten, Überschrift schlagen.

Denn, wann zum Teufel haben wir tatsächlich verlernt zu genießen und angefangen schlicht zu konsumieren? Schaffen wir es nicht einmal mehr ein Video auf YouTube anzusehen, welches länger läuft als die (seit neuestem und von den Massenmedien prognostizierte) dreiminütige Aufmerksamkeitsspanne es zulassen kann?

Sind wir nicht mehr in der Lage uns auf einen Text, Video oder Gemälde einzulassen, es spüren und genießen, in all seiner gegebenen Schönheit oder aber auch Widerwärtigkeit, die faszinieren und zugleich abstoßen, vor allem aber begeistern kann?

 

Einfach mal die Fresse zu halten und die Kunst, in jedweder Form, auf sich wirken zu lassen, sich selber dabei zu reflektieren und sich selbst und seine Gefühle zu erkennen, gehört wohl bald endgültig der Vergangenheit an, wird in einem Wust aus stakkatoartigem Informationsüberfluss pulverisiert und dann nur noch mit den Dandys des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts in Verbindung gebracht.

Nein, das will ich nicht und verweigere jedwede Art des stupiden, engstirnigen, blinden Konsums!

Die Folgen werden WIR tragen müssen, wenn der Journalismus zu einem Geschäft gieriger und gleichauf geizhälsiger Kunden verkommen ist.

Lassen WIR es nicht dazu kommen und fangen an wieder ein Stückchen Freiheit zurückzugewinnen, die uns die aggressive Beschleunigung unseres Systems, geraubt hat.

Und jetzt abspeichern und ran an die nächste Folge American Horror Story ...   

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