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Der Deathcore hat es ja nicht leicht. Die Ansprüche der Zuhörerschaft variiert von „stupides rumgeballer = awesome“, bis hin zu „wie kann man es nur wagen, das Lied in nur einem einzigen Tempo herunterzuspielen, wie dilletantisch“. Ganz davon abgesehen, dass der Markt in diesem Bereich des Metals ein hart umkämpfter ist und um jeden Zentimeter in Blast-Geschwindigkeit gefochten wird. Also hatte man sich überlegt einen neuen, schmiegsamen Drive in das Konstrukt einzuarbeiten, um die oben genannten Ansprüche auf ein neues Hoch zu hieven – kurz gesagt, hielt die Melodie im Deathcore Einzug und bescherte dem einfachen Affenwesen, namentlich Mensch, eine ganz neue Art des Hörgenusses.

Dass dieses Genre jedoch mit einigen Tücken und vor allem einer exorbitant hohen Messlatte gesetzt duch Genregrößen, zu kämpfen hat, zeigt uns das Heidenheimer Quintett „Final Faith“, die uns mit Ihrer aktuellen Platte das blanke Chaos injizieren will: 'Chaos Injected'.

Das Artwork ist mit viel Liebe zum grausamen Detail entstanden und macht deutlich wie viel Chaos hier drin steckt

                                                                                                    Foto: Final Faith

Fazit: 

Ich muss ja sagen, dass ich mich sehr auf die Platte der Heidenheimer gefreut habe. Auch weil die Jungs eine geile Fangemeinde im Rücken haben, die ihre Bühnenhelden pushen und bis ans äußerste treiben wollen; das ist immer etwas Außergewöhnliches und sollte sich in jedes Hirn festsetzen. Die Mischung aus Thrash und Melodic-Death-Metal kann funktionieren, bietet aber so viele Tücken wie kaum ein anderes Genre. Daran haben sich die Fünf aufgerieben und hinterlassen einen sehr zwiespältigen Gesamteindruck, der von zwei, drei Songs auf der Platte, gerade noch gerettet wird, bevor 'Chaos Injected' in die Belanglosigkeit driftet. Potenzial ist da, macht was draus, Jungs! Denn wenn sie mit den angesprochenen Songs ein komplettes Album füllen könnten, wäre das die Erfüllung eines hegeren Wunsches meinerseits: geiler, melodischer Death-Metal!

 

monotyp

EMPFEHLUNG

[...] das macht pervers viel Spaß und bleibt länger im Ohr kleben als 'ne Handvoll Widergekäutes.

01    First Injection

02    Dissecting The Sun

03    Oceans & Dreams

04    The Hermits Invocation

05    Chains

06    Combining Extremes

07    Out Of Fire We Arise

08    Beyond The Hell

09    The Nihilist

Verstörende Klänge, Donnergrollen, Orgel, Klopfen, Bedrohung, Flehen und ein Intro ist fertig. So einfach ist es natürlich nicht, aber gerade bei 'First Injection' verdient der Name auch genau jenen; ein stimmungsvoller Beginn in den kommenden Halbstünder der Heidenheimer ist es allemal und mit freudiger Erwartung lasse ich mir das Giftgemisch ihrer kreativen Obsessionen in die Vene drücken.

Doch, noch bevor das Mittel seine volle Wirkung in meiner vor Vorfreude erbebenden Hülle verbreiten kann, gibt es einen bösen Dämpfer.

Als hätte man mir den Stecker aus der amp gerissen, hänge ich in den Seilen mit heruntergelassen Hosen und ein wenig verwirrt.

Grund dafür ist, dass der Sound an sich zwar druckvoll und unnachgiebig ist, sich jedoch so gedämpft anhört, als stünde ich fünf Meter außerhalb des Clubs in dem sie gerade ihren ersten Song der Platte, 'Dissecting The Sun', spielen – und auch nach dem check meiner Einstellung des Players „blubbert“ das Geräuschkonstrukt ein wenig unmotiviert vor sich her, als koche jemand daraus das Mittagssüppchen für Opa Klaus.

Davon jedoch abgesehen treibt der Song ganz gut und der naturgegebene Metaler-Reflex setzt ein (und damit meine ich diesmal nicht den Griff zur Bier-Pulle, oder dem Wildurinieren am Nachbarzelt). Das Kopfnicken setzt nämlich genau dann ein, wenn man durch diesen unkonventionellen Geräuschfilter die Drums deutlicher heraushören kann – ein seltenes Gut, wie sich in den kommenden Minuten zeigen wird. Auch an eine Bridge wurde gedacht und ein feines Solo bestimmt das dritte Viertel.

 

Der Titel des dritten Songs der Platte, 'Oceans and Dreams', lässt mich unwillkürlich an zwei andere Bands aus diesem Genre denken, die sich in melodischen Todesmetall-Territorium eingenistet haben; allen voran die Ehinger/Ulmer 'Ocean Of Plague'; auch wenn die es sich sehr gemütlich auf ihren hart erkämpften Melodic-Death-Metal-Thron gemacht haben und sich von keinem anderen den Platz streitig machen.

Ein wunderschöner Beginn, der sich nach dem bösartigem Geschwisterchen eines Killswitch'esken Riffes anhört, ergießt sich der durchaus fette Sound in die Boxen. Ohne Zweifel, der Sound IST fett, doch wird er durch dieses seltsame „geblubber“ der Aufnahme zwar nicht kaputt gemacht, aber doch ein wenig unschön angekratzt. Ich bin kein großer Freund der sauberen, der cleanen, Aufnahme, aber zu besseren Verständnis und der Unterscheidung der (durchweg guten) Instrumente, erachte ich es als Ärgernis, das man hätte vermeiden können; auch weil ich denke, dass die Abmischung so gewollt ist.

 

Aber lassen wir uns mal darauf ein und hören in den nächsten Song ein, der da heißt: 'The Hermits Invocation', ein Brecher, der die vorangegangenen Minuten ein wenig vergessen lässt und erneut mit einem sehr nicen Beginn zu Punkten weiß. Hier wird sich einmal mehr an den unvergleichlichen Göteborg-Sound herangewagt und ist eine tiefe Verbeugung vor deren Mitbegründer 'In Flames'. Ich schreibe bewusst, dass es sich nur herangewagt wird, denn es bleibt nicht so konsequent wie ich es mir gewünscht hätte; die Gitarren geben ihr Bestes, das Schlagzeug ballert hart und Shouter Robert reizt sein stimmliches Talent erstmals aus, doch erreicht 'FF' keine Sekunde die Klasse der Schweden. Allerdings muss ich dazu erwähnt haben, dass es sich bemerkbar macht, wie viel Liebe in diesem Titel steckt und vor allem die semi-geniale Bridge löst in mir den 'Heaven-Shall-Burn-Effekt' aus, bemerkbar durch eine ordentliche Gänsehaut an Armen und Torso – das macht pervers viel Spaß und bleibt länger im Ohr kleben als 'ne Handvoll Widergekäutes. Abschließend wünschte ich mir mehr von dieser aufflackernden Genialität.

 

Und wenn ich denke, dass es genauso klasse weitergehen kann, werde ich oft von den Künstlern bestraft. Nicht so bei 'Chains', welches sich als Highlight der Platte herauskristallisierte und das absolut zu recht und aus einem sehr guten Grund!

Alter Schwede (respektive "Göteborger"), was ein scheißgeiler Refrain wird mir hier präsentiert!

Hier öffnet sich der dunkle Himmel und spuckt keinen geringeren als den verdammten Luzifer aus, der abgestraft im Lichte der vergangenen Tage zu Boden geht. Cleangesang wird hier mit Gekeife unterlegt und funktioniert hervorragend zu einem mit Testosteron gefüllten Sound, der einem kupferdrahtdicke Haare aus den Testikeln wachsen lässt.

Ein klarer Peak auf dem Album, den er nie wieder erreichen wird.

Denn auch in den nächsten Songs spielen die Fünf mit den Erwartungen des Zuhörers, treiben sie in ungeahnte Höhen und lassen ihn eine Millisekunde vor der bevorstehenden Explosion unbefriedigt zurück – denn auf sie wartet man vergeblich. 'Chains' bleibt dabei die Ausnahme und bietet tolle Tempowechsel, fettes Gedräsche aus allen Richtungen und mit Joachim Baschin der Finsdorfer Metaller „Undertow“ eine stimmliche Ergänzung zu 'FF'-Shouter Robert.

Dieses Teil muss ich definitiv ausklammern, denn es setzt sich meilenweit vor den anderen Songs auf 'Chaos Injection', ab.

 

'Combining Extremes' lässt daraufhin wieder Schädel aufknacken. Die Instrumente sind (leider) gewohnt undeutlich herauszuhören und vermengen sich in einem hochansteckenden Todesbrei, während Robert seine Texte drüberkeift und dich so lange durchschüttelt bis dir die Fontanelle platzt. Der Mann am Mic gibt sich alle Mühe den Death-Metal-Wurzeln treu zu bleiben – was ihm gut gelingen mag – doch glaube ich, täte es ihm gut sein volles Potential auszuschöpfen, welches er inne hat. Beim sechsten Song des Albums versuchen die Mannen dann hörbar eine am Computer generierten Atmosphäre aufzubauen, was nur leidlich funktioniert – um diese hohe Kunst der kreierten Atmo' erzeugen zu können, muss man dann doch aus den finsteren Tälern Skandinaviens hervorgekrochen sein. Warum versucht ihr es nicht selbst, gänzlich ohne PC? Bei 'Chains' hatte es einwandfrei funktioniert und entlockte mir dabei inspirierende Gedanken.

 

Weiter geht es bei dem Trip mit 'Out Of Fire We Arise'. Das ist genau der Song, bei dem die dicke Thrash-Keule ausgepackt und mit Affenzahn geschwungen wird – Kollateral-Schäden inbegriffen. Ein geiles Intro, wie bei allen Tracks auf 'Chaos Injected', begleitet mich in die Welt des Schmerzes; hier wird, wie so oft auf der Langgrille, hart und lange gekämpft. Dabei blendet mich der abgrundtiefe Zorn und die Brutalität des Vierminüters und ich denke mir zum aller ersten Mal auf der Scheibe: 'fuck yeah!' Mich dürstete es nach Hass und Gewalt und endlich werde ich erhört.

Dieser Moment dauert zwar nur wenige Sekunden an, zeigt aber wie viel ungenutztes Potential in 'Final Faith' brodelt und herauszubrechen droht; denn hier wird erneut mit einer Bestie von Bridge der Rücken aufgemacht und die Wirbelsäule ohne Narkose entfernt

 

'Beyond The Evil' ist anschließend ein Song der Kategorie: gut gedacht, aber mäßig umgesetzt.

Der kürzeste Song der Platte ist auf etwas mehr als drei Minuten gesund-geschrumpft bleibt aber dennoch „nur“ durchschnitt und zeigt einen gut gelaunten Gitarristen, der zwar richtig gut was drauf hat, aber in viel zu kurzen Moment seine Arbeit ausführlich verrichten darf– Schade!

 

Zum Schluss gibt es dann noch einen Absacker mit 'The Nihilist', der hektisch ist und zwar mit einem netten, da stimmungsvollen Mid-Part gut anzuhören ist, mit seinem unbeholfenen Schluss allerdings verpasst, dem Ganzen ein rundes Ende zu liefern. Textlich bleibt es wie beim Rest des Albums grundsolide, wenn es denn zu aller Ende heißt: "This is the end of all time\ I will destroy your shining cage of lies [...]"

 

Von: Nico 'monotyp' Esche                     VÖ-Datum: 11. Oktober 2014               Genre: Melodic-Death-Metal/Thrash

FINAL FAITH

CHAOS INJECTED

MELODIC-/DEATH-METAL

TECHNIQUE                                75/100

Voice                                              80/100

Drums                                            81/100

Bass                                                80/100

other Instruments                              -

LYRICS                                          76/100

Guitar                                            85/100

Text                                                76/100

Impact                                            75/100

ARTWORK                                   83/100

Cover                                             80/100

RESULT            73/100

Booklet                                           80/100

FINAL FAITH

'Chaos Injected'

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