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Die Tübinger/Reutlinger von Circus Of Fools wissen zu begeistern: ihre beeindruckenden Bühnenshows sind in aller Munde und lassen selbige meist offen stehend zurück ob ihrer ausgefallenen Kostüme und Einlagen – inklusive Jongleuren. Das Sextett klopfte sich also vor einiger Zeit bereits den Staub von den abgenutzten Clownskostümen und begab sich ins Studio, wo sie „Raise The Curtain“ aufnahmen. Doch wie gut oder wie schlecht das Werk der Live so starken Band geworden ist, erfahrt ihr auf den folgenden Zeilen. Manege frei, für die außergewöhnlichste Narrentruppe seit Captain Spaulding!

Circus Of Fools macht seinen Namen alle Ehre. Eine Parodie auf die Parodie auf die Parodie.                                                                                                                                                               Foto: Circus Of Fools

Fazit: Nach einem starken Beginn flacht das Album auf Höhe der Mittellinie stark ab und hinterlässt einen äußerst ambivalten Eindruck auf das Gesamtwerk. Die Messnadel schlackert bildlich von weit weit oben („Visions Fade“), bis hin zu völliger Belanglosigkeit („Rome In Flames“) - stets sind die Schwaben bemüht die Strukturen im Blick zu behalten und ein rundes Album abzuliefern. Dies ist den „Narren“ also nicht immer gelungen. Heißt das also, dass es nur Mittelmaß oder gar schlecht ist? Keinesfalls! Sind manche Parts langatmig und innovationsarm geraten, gefallen andere auf so besondere Art und Weise, wie ich es schwer in Worte packen kann. Besonders hervorzuheben sind zu guter Letzt die wunderschönen und passenden Artworks des Albums. Der Gesamteindruck also bleibt und der befindet sich weit über dem Durchschnitt. Reinhören ist Pflicht für alle, die mal was Neues auf die Ohren brauchen.

 

monotyp

Sehr gut

Raise The Curtain [...] bietet Stoff für die absurdesten Albträume.

01    Bushido

02    Walking The Fine Line

03    Visions Fade

04    Reinstate

05    Roll The Dice

06    The March Of The Puppets

07    Elysium

08    Halo Lights

09    Rome In Flames

10    Salomè

11    Rebel Clown Army

12    Intermezzo

13    Rasputin

Unheilvolles Glockenspiel eröffnet das dreizehnteilige Kabinett der „Narrentruppe“; angefangen mit 'Bushido' (das ist der von den japanischen Samurai zu gehende „Weg des Kriegers“ und hat nichts mit einem bestimmten deutschen Würstchen des Mainstream-Möchtegern-Gangstatum zu tun – lernt mehr über Geschichte, Herrgott!). Zu aller erst fällt natürlich auf, dass der Circus ein ganzes Gefolge aus Spielern im Schlepptau haben und so speziell hier die Drums mit dem Keyboard und der Violine einen harmonischen Dreiklang bilden. Ansatzlos röchelt Sänger Tim los und wirkt, trotz seiner überdurchschnittlichen Qualität, dezent aufgesetzt – was eher an der (zunächst) holprigen Aufnahme liegt. Schnell hat man sich als Hörer jedoch daran gewöhnt und in den folgenden Songs geht man damit konform; es ist eben etwas anders, etwas subtiler und vor allem etwas verrückter, als vieles was ich bislang gehört habe. Musikalisch harmonieren die ersten angespielten Minuten sehr gut, was man bei einer Band dieser Größenordnung allerdings auch erwarten kann und muss.

 

"Circus Of Fools": zwar nicht in Ochestergröße bestehend, dafür in einem bunt zusammengewürfelten Sextett bestreitend, folgt 'Walking The Fine Line' mit einem Hardrock-ähnlichen Einstieg. Teilweise erinnert der Fünf-Minüter im Entferntesten positiv an "In-Extremo", inklusive vollmundigem Refrain, der zum Mitsummen anregt. Das wirkt wie aus einem Guss. Zu sehr aus einem Guss; für meinen Geschmack hätte man den Refrain weiter öffnen können, um ihn noch bedeutender hervorheben zu können. Hach ja, geliebte Konjunktive.

 

Ein „hätte, könnte, würde“, existiert in meiner Review allerdings keines Falls wenn es um 'Visions Fade' geht; dem intonierten „Murphy's Gesetz“, wenn man so will, und dem Destillat von "Circus Of Fools" in wahrsten Sinne: eine grausig-morbide und unheimliche Atmosphäre wird erzeugt und saugt den Hörer in den Song. So unerwartet die (zum ersten Mal erklingenden und erfrischend schönen) Cleanvocals von Sängerin Charlotte, im Kontrast zur ruppigen Stimme Tims, einsetzt, so schnell rauscht einem die Gänsehaut runter – Klasse! Warum Murphy's Gesetz? Textlich schreiten "COF" auf den Pfaden des größten und bedeutendsten Pessimisten der Menschheitsgeschichte, ermahnen allerdings davor, sich selbst den Predigten Murphys hinzugeben („Take a step back and listen to your heart“). Eine der großen Anspieltipps von „Raise The Curtain“.

 

Doch nicht nur textlich bietet die erste halbe Stunde der Platte einen bunten Reigen auf der lyrischen Farbpalette, auch bleiben sie ihrem eigenständigen Stil treu. 'Reinstate' wagt nicht aus diesem Korsett auszubrechen und wirkt mit mutlosen Gitarren motivationsarm. Keyboarder und Stimme von "COF", Tim Strouken, weiß den Song jedoch mit seinen Klängen aufzuwerten und schmeichelt mit ausgewogenen Synths. Oft bestimmt nämlich genau dieses Instrument dominierend die Strukturen, womit sich die Tracks kaum ähneln oder abnutzen ('Roll The Dice'). Ein roter Faden ist, gerade im Mittelteil, kaum zu erkennen – ein thematisches Stückwerk, eingerahmt von geschichtlichen Ereignissen und sozialen Ungerechtigkeiten, bilden den Kontext in den Tracks.

 

Am meisten Überrascht war ich nach den vorangegangenen – zwar soliden, aber schnörkellosen – Songs, von 'The March Of The Puppets'. Lied Nummer Sechs ist das Ohrenschmankerl für jeden Liebhaber düsterer Klänge und unheimlichen Stimmungen. Das stampfende Hämmern von marschierenden Stiefelabsätzen, wird mit einem Xylophon (!) und dem mantra-artig wiederholtem „Feed Us/ Feed Us“ vermengt und bietet Stoff für die absurdesten Albträume. Charlottes gut getimte Stimme unterstreicht dem leidenschaftlichen Gesang Tims, der speziell hier einen eindeutig deutschen Zungenschlag in die, in Englisch vorgetragenen, Texte bringt (gewollt oder nicht?). Die zweite Hälfte des Liedes ist dann noch bunter, harmonischer und düsterer, vor allem aber dringlicher; diese Dringlichkeit, die in 'Elysium', dem achtminütigen 'Halo Lights' und vor allem Track 9, 'Rome In Flames', schwerwiegend abhanden gekommen ist. Weiß Coen Stroukens herrlich vorgetragene Violine in ersterem vor allem eingefleischte Nicht-Trve-Metaler zu überzeugen (Mehr Violinen im Metal, bitte!), erweisen sich die holprigen Texte von 'Halo Lights' als Stimmungsdowner. Die Lyrics sind mit zu viel Selbstmitleid durchsetzt und dezent platt geraten. Musikalisch wissen "COF" allerdings die acht Minuten (für heutige Verhältnisse episch Lang) zu füllen und bieten ein breites, abwechslungsreiches Spektrum. 'Rome In Flames' ist dann leider der klassische „Skip“-Kandidat: trotz des interessanten Themas, nämlich der Wandlung eines Menschen, dem man am besten zu kennen schien, hin zu einem scheinbar Fremden, verbrennt sich 'Rome In Flames' nämlich selbst an seinem kruden Mix verschiedener musikalischer Versatzstücke und langweiligem Text – sehr schade.

 

'Salomé' macht es an dieser Stelle wesentlich besser und überzeugt durch seinen runden Aufbau und der unwiderstehlichen Stimme Charlottes. Punktuell wurden die Auftritte der Sängerin in das Album verwoben und heben speziell diese Songs, die von ihrer erhabenen Stimme profitieren, deutlich hervor.

 

Doch nicht nur durch eine stimmliche Vielfalt, auch auf Grund der musikalischen Qualität, muss "Circus Of Fools" keineswegs einen Vergleich mit Legenden wie Saltatio Mortis scheuen. So walzt Track 11, die 'Rebel Clown Army', perfekt auf "COF" zugeschnitten, durch die Lautsprecher und zwingt das Publikum vor der Bühne sich zu bewegen und aktiviert den Bewegungsdrang selbst bei Hörer der Platte in den eigenen vier Wänden. Im letzten Drittel schwingt sich dann noch ein astreiner Instrumentaltrack ('Intermezzo') durch das Gehör, der sich problemlos als Film-Score anbietet und mit einem Bild von einem Riff in den letzten Track 'Rasputin' mündet. Der letzte Auftritt der Narren an diesem Abend, in ihren bunten, verlotterten Kostümen und dem schelmischen Grinsen im Gesicht.

Von: Nico 'monotyp' Esche                          VÖ-Datum: 24.07.2015                   Genre: Gothic-/ Melodic-Death-Metal

CIRCUS OF FOOLS

RAISE THE CURTAIN

TECHNIQUE                                84/100

Voice                                              86/100

Drums                                            81/100

Bass                                                84/100

Keyboard/Violine                         90/100

LYRICS                                          77/100

Guitar                                            81/100

Text                                                78/100

Impact                                            75/100

ARTWORK                                   91/100

Cover                                             88/100

Booklet                                           93/100

RESULT            84/100

DARK-/MELODIC-DEATH-METAL

CIRCUS OF FOOLS

'Raise The Curtain'

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